<45> Kavallerie und vertrieb ihn. Die Österreicher ergriffen die Flucht, der Prinz setzte seinen Vormarsch fort. Unmittelbar darauf ging Feldmarschall Keith gegen Aussig vor und bezog bei Johnsdorf ein Lager. Von dort detachierte er General Manstein1, der sich des Schlosses Tetschen bemächtigte2, um die Schiffahrt auf der Elbe zu sichern. Dabei blieben die Dinge in Sachsen und in Nordböhmen bis Ende September stehen.

Auf österreichischer Seite hatte General Piccolomini in der Nähe von Königgrätz auf den Höhen zwischen dem Zusammenfluß der Elbe und Adler eine starke Stellung bezogen. Das Lager war in Form eines Winkels angelegt und von allen Seiten gleich unangreifbar. Feldmarschall Schwerin rückte mit seiner Armee aus der Grafschaft Glatz vor, zuerst bis Nachod, dann gegen die Ufer der Mettau und schließlich bis nach Aujezd. Dort trat ihm General Buccow mit einem Kavalleriekorps entgegen, ließ sich aber völlig schlagen und verlor dabei 200 Mann3. Gegen Piccolomini aber konnte Schwerin bei der Stellung der Österreicher nichts ausrichten. Belagerung und Schlacht waren gleich unmöglich, kurz, ein herzhafter Entschluß ließ sich nicht fassen. Da überdies die Jahreszeit schon stark vorgerückt war, so begnügte sich der Feldmarschall damit, alle Lebensmittel, die er in Böhmen fand, aufzubrauchen. Er fouragierte bis unter die Kanonen der kaiserlichen Armee, ohne daß Piccolomini sich darum zu kümmern schien. Eine preußische Husarenabteilung schlug 400 feindliche Dragoner bei Hohenmauth und nahm die meisten gefangen4. Damit fanden Schwerins Operationen zunächst ein Ende; denn Piccolomini hütete sich wohl, die geringste Bewegung zu machen, und hielt sich sorgfältig in seinem Lager zurück, das stärker war als manche Festung.

Zu großen Kämpfen konnte es für dieses Jahr nur bei der Armee des Königs kommen. Dort waren zunächst die Sachsen gefangen zu nehmen und ein etwaiges Entsatzheer zurückzutreiben. Indes wurde die Lage von Tag zu Tag schwieriger und verwickelter. Das Lager von Pirna war zwar derart eingeschlossen, daß weder Lebensmittel noch Hilfstruppen hineinkonnten, aber es war doch völlig unmöglich, all die Pfade zu besetzen, die durch die umliegenden Wälder und Felsen führten. So kam es, daß der König von Polen, wenn auch nicht ohne Schwierigkeiten, noch immer Verbindung mit dem Wiener Hof unterhielt, und so erfuhr man Ende September, daß Feldmarschall Browne von seinem Hof Befehl erhalten hatte, die bei Pirna eingeschlossenen Sachsen um jeden Preis zu entsetzen. Der Feldmarschall war bis Budin vorgerückt (20. September). Er hatte drei Möglichkeiten zur Ausführung seines Planes. Entweder mußte er gegen Feldmarschall Keith vorgehen und dessen Armee schlagen, was indessen nicht leicht war, oder er konnte über Bilin und Teplitz marschieren und über Sebastiansberg oder Hellendorf in Sachsen eindringen. Dabei


1 Christoph Hermann von Manstein.

2 Kapitulation in der Nacht vom 22. zum 23. September 1756.

3 Gefecht bei Iasena, 22. September 1756.

4 Gefecht bei Reichenau, 16. Oktober 1756.